Freitag, 24. Juli 2009

Eine Woche Potsdam "at his best" (Fotos: Oliver Vaccaro)



Ein Idyllisch malerisches Fleckchen hat sich unsere Filmcrew für diese Woche ausgesucht. An der Glienicker Lancke liegt das Haus von Wendlas Familie, mit Seezugang, Blumenwiese, englischem Rasen und gehoben bürgerlich eingerichteter Villa – Potsdam wie es nur die Joops und Jauchs kennen.
Dem aprilschen Wetter kann man getrost die kalte Schulter zeigen, denn das Geschehen spielt sich nur im Haus ab. Schade eigentlich - bei dem tollen Ausblick, den man hier auf den Fotos gar nicht so gut erkennt. Die Villa ist jedoch keine Kulisse sondern das Zuhause einer jungen Familie, die erst vor zwei Jahren das Haus bezogen hat. Die Kinder waren natürlich wie aus dem Häuschen, als auf einmal ihre eigenen vier Wände zu einem Filmset umgebaut wurden: Ein besseres Ferien-Entertainment kann man sich als Kind wohl nicht vorstellen, da gibt’s viel zu erzählen! Neugierig und interessiert saßen sie neben dem Regisseur und waren live dabei.
Falls es dann doch mal zu langweilig wurde, gab das Trampolin im Garten Abwechslung. Mittlerweile ist die Familie im Urlaub, nur der Vater hat noch ein Auge auf das Geschehen. Doch auf seiner Seite herrscht völlige Entspanntheit obwohl fast das ganze Haus mit Teppichen ausgelegt, abgeklebt und drehsicher gestaltet wurde.

Das Team stellt sich als ausgesprochen professionell – und schnell - heraus. Letzte Woche konnte dadurch und dank des guten Wetters der Drehplan vorbildlich eingehalten werden. Dass man „hängt“ passiert höchstens bei komplizierten Einstellungen wie Schwenks und frickeligen Kamerafahrten. „Das erlebt man selten“ so Regisseur Nuran und seine Assistentin Franca, die hin und weg von der guten Zusammenarbeit sind. Grund dafür ist wahrscheinlich auch die enge Freundschaft zu Set-Aufnahmeleiter Przemek. Sie sind zusammen in Bielefeld aufgewachsen - „…aus einer Hood“.
Nuran war damals Türsteher und wollte den jungen Przemek nicht reinlassen, der kannte aber seine Cousins und so wurden sie Freunde. Heute wohnen sie in einer WG in München. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet er als Set-AL, die Zusammenarbeit klappt blendend, davon sind beide fest überzeugt. Bereits bei Nurans erstem Film Meine Mutter, mein Bruder und ich! funktionierten sie als perfektes Team. So kam es, dass er Przemek auch nach Berlin mitnahm. Dieser genießt es der einzige Münchner am Set zu sein. In kurzen Pausen legt sich Nuran gern mal in den Gang, nimmt als Kopfkissen einen Sandsack und denkt über die nächste Einstellung nach. Falls er zu entspannt ist, werden einfach ein paar Liegestütze gemacht. Für ihn ist es wichtig ein kreatives persönliches Umfeld zu haben: Aus diesem Grund komponiert auch sein Sandkastenfreund Vivan Batthi die Musik zum Film. Überhaupt geht es sehr familiär am Set zu. Das Team beschreibt ihn als einen sehr sensiblen und einfühlsamen Regisseur, der durch seine zeitgenössischen Theaterstücke viel Erfahrung gerade im Umgang mit jungen Darstellern hat. Romeo und Julia zum Beispiel inszenierte er zusammen mit Schülern der Rütli-Schule aus Berlin-Neukölln am Maxim Gorki Theater.

Heute wird eine Tagszene gedreht, Morgensonne strahlt in Wendlas Zimmer, während sie sich anzieht.
Wendla alias Constanze Wächter wirkt sehr gelassen und hat in den Pausen immer ein Lächeln bereit. Über die verschiedenen Lichtstimmungen macht sich der Oberbeleuchter Stefan Schauerte zusammen mit dem Kameramann Björn Knechtel Gedanken. Mit einer 12KW Lampe und der richtigen Stativhöhe kann die Tageszeit problemlos variiert werden. Wichtig bei diesem Film sind aber auch die verschiedenen farbigen Folien. (Etwa 450 verschiedenen Lichtfolien gibt es.) Um die dramatische Story zu unterstreichen spielen zwei Drittel des Films nachts. Das erfordert eine besondere künstlerische Gestaltung: Das Art-Departement hat sich für einen tollen Look mit einer der teuersten Farben entschieden – Zyan. Die Mischung aus blau und grün erzeugt eine düstere, kalte, beängstigende und bedrückende Stimmung, was die Jugendlichen im Film auch zum Ausdruck bringen. Um diese Atmosphäre noch zu unterstützen werden entgegen der Norm auch nachts HMI-Lampen (Tageslichtlampen) eingesetzt, die sonst nur tagsüber verwendet werden erklärt Beleuchter Micha Rieck. Dies kommt auch der Kamera zugute. Gedreht wird auf der der digitalen Kinokamera RED One, einer Mischung aus der Qualität des alten und der Technik des neuem Kinos.
Das Bild sieht aus wie auf einen Film gedreht, wird aber auf Speicherkarten gespeichert. Das hat den Vorteil, dass man sich das Material sofort anschauen kann, somit Anschlussfehler so gut wie vermieden und Kopierkosten gespart werden. Parallel können bereits erste Farbkorrekturen vorgenommen werden und zur Sicherheit ist immer ein Backup vorhanden.


Am Set selbst gibt es eine klare Aufteilung: Im „Spielzimmer“ sind nur Schauspieler, Kameramann und sein Assistent. Im Nebenraum wird es aber eng. Vor dem Monitor schaut sich der Regisseur seine Szene an, hinter ihm sitzen: die Script-Coninuity Anke, die alle Szenen aufschreibt die letztendlich im Schnitt eindigitalisiert werden und darauf achtet dass es keine Anschlussfehler gibt, außerdem Maske und Kostüm, die schauen dass alles sitzt. Auch der Tonmann findet noch Platz hinter seinem großen Mischpult. Zwischen den Räumen spielt die Regieassistentin Franca „stille Post“ und vermittelt zwischen den Gewerken. Derweil beauftragt Set-AL Przemek die Fahrer, die Lichtstative festzuhalten, welche sich durch Windböen zu stark bewegen. Es soll ja kein Unglück passieren. Zwischendurch immer wieder ein „Ruhe bitte wir drehen!“.

Währendessen wird bereits der Kran von Dennis und Nils für die Liebeszene am Abend aufgebaut. Wendla und Melchior sollen auf der Blumenwiese schlafen, von oben gefilmt. Um die Szene so intim wie möglich zu gestalten wurde sich für ein „closed set“ entschieden, d.h. keiner außer den direkt Beteiligten darf zusehen. Wilson Gonzales Ochsenknecht kommt dafür erst abends zum Drehort. Die restlichen Jungschauspieler haben die Woche frei und können sich noch weiter auf ihre Rollen vorbereiten. Bis auf einer – Leon A. J. Pfannenmüller, der den Moritz spielt. Er ist einer der Ludwigsburger Schauspielschüler, die hier an ihrem ersten großen Film mitwirken. Doch von Anfangsschwierigkeiten oder jedweden Hemmungen keine Spur: Den geplanten Brückensprung will er selber spielen - warum auch nicht. Selbstverständlich ist eine Stuntbetreuung vor Ort, aber das Abenteuer wollte er sich nicht nehmen lassen. Für seine Sicherheit prüfen Taucher im Wasser einen reibungslosen Sprung, so dass kein Hindernis unter Wasser ihn eventuell verletzen könnte. Auch letzte Woche auf dem BMX-Parcour musste der Stuntman wieder nach Hause geschickt werden: Wilson Gonzales konnte selber so gut bmxen und hatte solch einen Spaß daran, dass ein Double überflüssig war…

Man sagt immer das Wichtigste am Set ist das Catering - aber bei soviel Freude an der Arbeit wird sogar das Cocos-Orange-Hähnchen zweitrangig 

Mehr nächste Woche von der Pressekonferenz im angesagten Berliner Tapeclub…